Dein Team kann sich nur entwickeln, wenn es sich psychologisch sicher fühlt

05.04.2021

Als Google 2012 in seinem Großprojekt Project Aristotle die Faktoren untersuchte, die gut performende Teams von mäßig performenden Teams unterscheiden, machte man eine interessante Feststellung:

Ganz oben auf der Liste der entscheidenden Faktoren stand Psychological Safety - das Vertrauen, dass man als Teammitglied akzeptiert wird und Offenheit nicht zu Kritik, Abwertung oder Ausgrenzung führt.









Nur wenn Teammitglieder sich psychologisch sicher fühlen, zeigen sie ihr wahres Ich und bringen sich voll ein - auch mit ihrer ehrlichen Kritik.

In psychologisch sicheren Teams herrscht aber keine "Hippie-Harmonie". Dort wird gestritten und diskutiert, vielleicht sogar mehr als in anderen Teams, wo man seine Ansichten aus Angst vor Ablehnung zensiert. Aber es herrscht eine Sicherheit, dass auch nach einer hitzigen Diskussion noch alles gut ist und man weiterhin gut miteinander arbeiten kann - eine Art Urvertrauen. Niemand fürchtet sich vor negativen Folgen. Fehler können zugegeben werden und Bitten um Hilfe oder Erklärung werden nicht als Schwäche ausgelegt. Ein solches Team ist nicht nur zufriedener, sondern vor allem viel eher in der Lage, die Fehler in einem Plan zu sehen und diesen zu verbessern, da Kritik offen geäußert werden darf.

Wenn du deine ersten Schritte auf einer Reise zu mehr Eigenverantwortung deines Teams gehen möchtest, dann ist Psychologische Sicherheit also der Pflasterstein unter euren Füßen. Denn ohne Psychologische Sicherheit wird es dir nicht gelingen, deine Mitarbeitenden dazu zu bekommen, freiwillig mehr Verantwortung zu übernehmen. 

Historisches Beispiel: Die Geschichte der Vasa

Wie schwerwiegend die Folgen fehlender Psychologischer Sicherheit sein können, durfte der schwedische König Gustav II. Adolf im August des Jahres 1628 erfahren.

Der König wünschte damals die Konstruktion von größeren, schwereren Kanonenschiffen mit zwei statt vormals einem Kanonendeck. Das Land hatte schwere Verluste in Seeschlachten davongetragen und man war bereit, etwas neues zu probieren.

Leider mussten die schwedischen Werften feststellen, dass "neu" meist auch "schwierig" bedeutet. Ihre Umsetzung eines solchen Schiffes - die Vasa - wurde im Sommer 1628 fertiggestellt und wie alle Schiffe zu dieser auf Stabilität getestet, indem 30 Matrosen auf Deck von einer Seite zur anderen rannten, um das Schiff ins Schaukeln zu bringen. Das Ergebnis war ernüchternd: Der Versuch wurde bereits nach drei Läufen abgebrochen, da das Schiff zu kippen drohte.

Ein psychologisch sicheres Team hätte an dieser Stelle dem König die Nachricht überbracht, dass man sich mit der Konstruktion des Schiffes überhoben habe und es einen Umbau bräuchte. Nicht so das Team der Vasa. Der König drängte auf die Fertigstellung des Schiffs, das lange Zeit im Dock auf seine Kanonen hatte warten müssen. Und so kam es, dass sich die Vasa am 10. August 1628 auf seine Jungfernfahrt begab - um kurz darauf noch vor den Augen der versammelten Menge zu versinken, nach kaum 1.300 Metern Fahrt. Seitenwinde hatten das Schiff 120 Meter vor der Küste in die Neigung gebracht, wobei Wasser durch die für Salutschüsse geöffneten Luken des unteren Kanonendecks eindrang. Die Vasa fand ein schnelles und unrühmliches Ende, zusammen mit 30 unglücklichen Mitgliedern seiner Mannschaft.

Wie psychologisch sicher fühlt sich dein Team?

Die Chancen stehen gut, dass du dies nicht aufgrund deines Bauchgefühls beantworten kannst. Denn wenn sich dein Team nicht psychologisch sicher fühlt, wird es dich nicht auf diesen Umstand hinweisen und versuchen, ihr Unwohlsein vor dir zu verbergen. Wie also stellst du fest, ob dein Projekt gerade die nächste Vasa wird?

Einige erste Anzeichen für geringe Psychologische Sicherheit in deinem Team können sein:

  • In deinem Team werden wenige Fragen in Meetings gestellt.
  • Deinen Mitarbeitenden fällt es schwer, Fehler einzugestehen.
  • Es kommt selten zu schwierigen Gesprächen.
  • Ideen werden nicht konstruktiv hinterfragt, sondern entweder destruktiv zerrissen oder diskussionslos akzeptiert - besonders, wenn sie von der Führungskraft stammen.
  • Die Diskussionen in Meetings werden vorrangig von Führungskräften bestritten.
  • Deine Mitarbeitenden fragen einander und nicht dich nach Hilfe, wenn sie welche benötigen.

Die beste Möglichkeit, um eine Einschätzung zu erhalten, ist aber, dein Team aktiv danach zu fragen. Und zwar am besten anonym. Dazu kannst du mit Tools wie Typeform.com oder Mentimeter.com eine Umfrage aufsetzen. Was du haben willst ist eine Multiple Choice Abfrage mit den folgenden 8 Fragen:

  1. Ich kann Probleme und heikle Themen offen ansprechen.
  2. Ich habe das Gefühl, Risiken eingehen zu dürfen.
  3. Es ist schwierig für mich, meine Kollegen um Hilfe zu bitten.
  4. Es ist schwierig für mich, meine Führungskraft um Hilfe zu bitten.
  5. Niemand in unserem Team würde sich absichtlich in einer Weise verhalten, die unsere Ziele gefährdet.
  6. In der Zusammenarbeit mit Kollegen und Führungskräften werden meine individuellen Fähigkeiten und Talente wertgeschätzt und genutzt.
  7. Wenn ich in unserem Team einen Fehler mache, wird dieser gegen mich verwendet.
  8. Personen in unserem Team lehnen Andere aufgrund von Andersartigkeit ab.

Zu diesen Fragen sollen deine Teammitglieder jeweils angeben, wie sehr Sie der Kernaussage zustimmen. Dazu nutzt du am besten eine fünfstufige Likert-Skala:

  1. Stimme überhaupt nicht zu
  2. Stimme nicht zu
  3. Stimme weder zu noch lehne ich ab (kurz: weder noch)
  4. Stimme zu
  5. Stimme voll und ganz zu

Wenn die Umfrage insgesamt sehr positiv ausfällt, dann ist dein Team bereit für mehr Eigenverantwortung. Wie das geht, dazu erfährst du in Kürze mehr. 

Falls es aber Baustellen bei der Psychologischen Sicherheit gibt - dann erfährst du in meinem nächsten Beitrag zunächst einmal, wie du diese beheben kannst.