Das Spiel verändert sich

20.04.2021

Das heutige Führungsbild: Stellen Sie sich vor, Sie sind Fußballer und stehen mit Ihren Mannschaftskollegen auf dem Bolzplatz. Jetzt kommt Ihr Manager auf Sie zu und reicht Ihnen einen Golfball. "Wir haben einige Änderungen beschlossen..."



Wenn Jürgen Klinsmann als Trainer der Nationalmannschaft seinen Spielern erklärt hat, wie sie den Ball zu spielen hatten, dann wusste er, wovon er spricht. Immerhin war er selbst ein erfolgreicher Fußballer, hatte von 1987-1998 in der deutschen Nationalmannschaft gespielt, davon diverse Turniere als Mannschaftskapitän.

Genauso ergeht es vielen Führungskräften, die von der Fachkraft zur Führungskraft aufgestiegen sind. Sie wissen, was ihre Angestellten richtig und was sie falsch machen. Und deshalb verlieren sie sich häufig im Detail und betreiben Mikromanagement: Da ihnen jeder Fehler ihrer Mitarbeitenden auffällt, erwacht in ihnen der Drang, diese Fehler zu beseitigen, notfalls durch eigenhändige Korrektur - dabei wird ihre Arbeitskraft eigentlich für ganz andere Aufgaben benötigt. Viele Führungskräfte dieses Typs identifizieren sich noch immer mit ihrer alten Aufgabe, sind zum Beispiel eher stolz auf ihre Fähigkeiten als Vertriebler denn auf die als Vertriebsleiter.

Um im Fußball-Bild zu bleiben wären sie diejenigen, die den Spielern detailliert erklären, wie sie den Ball im Fall einer Ecke annehmen sollten, anstatt über Videoaufnahmen der gegnerischen Mannschaft zu brüten und deren Spieltaktik zu ermitteln. Ja, sie leisten einen wertvollen Beitrag - aber ist es der wertvollste, den sie leisten könnten? Und sind Sie überhaupt noch derjenige auf dem Platz, der das Spiel am besten kennt?

Wenn Sie sich in den folgenden Zeilen wiederfinden, gehören vielleicht auch Sie zu dieser Sorte Führungskraft:

  • Sie denken, Sie könnten die Arbeit Ihrer Mitarbeitenden besser verrichten als diese.
  • Ihnen ist es wichtig, auch von Ihren Mitarbeitenden noch immer als kompetent in deren Aufgabenfeldern angesehen zu werden.
  • Sie erwischen sich oft dabei, Fehler Ihrer Mitarbeitenden selber auszubügeln, zum Beispiel indem Sie selbst noch einmal über ein Dokument oder eine Präsentation drüber arbeiten.
  • Sie sitzen sehr häufig mit Mitarbeitenden zusammen und erklären diesen in einem 1:1 Gespräch, was sie falsch gemacht haben.

In diesem Verhalten stecken zwei Denkfehler: Der erste, sehr offensichtliche, ist, dass Sie glauben, für diese Arbeit als Mikromanager bezahlt zu werden. Eigentlich werden von Ihnen als Führungskraft jedoch ganz andere Aufgaben verlangt, so wie auch Jürgen Klinsmann eher auf der Ebene der Spieltaktik und der Spielerauswahl unterwegs gewesen sein dürfte, als er die deutsche und amerikanische Nationalelf trainiert hat. Der zweite Denkfehler jedoch greift etwas tiefer.

In einer VUCA-Welt wird lange nicht mehr das Spiel gespielt, das sie einst gespielt haben, bevor Sie Führungskraft wurden.

In einer VUCA-Welt (in der wir uns ja befinden, wenn wir von agilen Umfeldern sprechen) wird lange nicht mehr das Spiel gespielt, das sie einst gespielt haben, bevor Sie Führungskraft wurden. Die Welt um Sie herum hat sich verändert und verändert sich täglich weiter. Die Kundenwünsche wandeln sich dabei ebenso schnell wie die Technologie, die uns zur Erfüllung dieser Wünsche zur Verfügung steht. Vom Markt und den Wettbewerbern gar nicht zu reden.

Es ist, als wenn Jürgen Klinsmanns Mannschaft nach und nach mit Regeländerungen konfrontiert worden wäre, sodass man heute Basketball statt Fußball spielt. Wäre Klinsmann hier immer noch der beste Ansprechpartner, um den Spielern zu erklären, wie man den Ball am besten spielt? Vermutlich nicht. Wo läge sein wertvollster Beitrag?

Fragen Sie sich also: Leben Sie wirklich noch in einer Welt, in der Sie der beste Spieler der Mannschaft sind? Oder müssen Sie sich ehrlich eingestehen, dass heute ein anderes Spiel gespielt wird und ihre Mannschaft dies ganz gut im Griff hat?

Wenn letzteres der Fall ist, welche Rolle kommt dann Ihnen zu? Hier ein paar Gedanken dazu:

  • Jede Mannschaft braucht einen Coach. Jemanden, der ihnen hilft zu reflektieren, gute Spielzüge anhand von Analysen zu erkennen und diese zu standardisieren.
  • Gute Trainer behalten die Übersicht über die eigene Mannschaft und die Gegner. Ist die Aufstellung ideal? Welche Tricks hat der Gegner in petto? Wie kann ein wirksamer Konter aussehen?
  • Auch wenn durch den Spielwechsel nicht SIE derjenige sein können, der Ihrer Mannschaft alle Spielzüge beibringt, so gibt es sicherlich bessere und schlechtere Spieler in Ihrer Mannschaft. Ist sichergestellt, dass diese sich gegenseitig trainieren?

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